Im August 1993 hielt ich meine erste Trauerrede. Immer schon hatte ich den Wunsch, so etwas zu tun. Auch in unserer Familie gab es mehrere Trauerfälle. Mein Vater war nur 57 Jahre alt geworden. Die Trauerrede damals war durchschnittlich. Ich wollte es besser machen. Zu keiner Zeit habe ich gezweifelt, ob ich das auch kann. Ich wollte einfach. Daraus wurde eine Berufung. In 25 Jahren gab es viele trauernde Familien. Das Schwierige war nicht, die Reden zu halten. Viel anspruchsvoller waren für mich die vorher stattfindenden Trauergespräche. In kürzester Zeit zu Menschen einen Kontakt herzustellen, um sie dafür aufzuschließen, eine Lebensgeschichte zu erzählen. Kritik? Gab es auch, aber selten. Mit den Jahren wuchs die Erfahrung und die Gedichtemappe füllte sich. Über 100 habe ich in der Zwischenzeit geschrieben und vorgetragen. Oft haben mich die Geschichten und Lebensläufe der Menschen dazu inspiriert. Mit der Trauerrede für meinen eigenen Mann 2011 kam ein neuer Abschnitt. Aufhören oder weitermachen ? Ich hielt die Rede selbst, stellte mich vorn hin und legte los. Das brachte mir Achtung und für alle weiteren Reden große Glaubwürdigkeit ein. Diese traurige Erfahrung hatte ich nun selbst gemacht und konnte so die vielen Facetten der Trauer besser begreifen. Schweigen, Schreien, Weinen, in Aktionismus oder Lethargie verfallen - alles ist menschlich.

Dank allen Familien für ihr entgegengebrachtes Vertrauen.